Hier möchte ich über das Therapeutischem Reiten, bei dem das Pferd als Co-Therapeut bei der Förderung motorischer, sensorischer, kognitiver, sprachlicher, psychischer und sozialer Kompetenzen mitwirkt, berichten. Zuerst stelle ich kurz die vier Bereiche des Therapeutischen Reitens vor und erläutere die Besonderheiten. Ich möchte den Fokus auf die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd legen. Welche Zielgruppen und Wirkungsweisen gibt es? Welche Bedeutung hat in dieser Therapie das Pferd und wie wählt man es aus?
Das Therapeutische Reiten und seine vier Bereiche
Zum einen gibt es die Hippotherapie, die von einem Arzt verschrieben wird und somit der medizinische Bereich des therapeutischen Reitens ist. Sie wird von Physiotherapeuten mit einer Zusatzausbildung durchgeführt. Diese Therapie eignet sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ohne reiterliche Vorkenntnisse. Sie kann im Schritt, mit oder ohne einem Voltigiergurt in einem Einzelsetting, ein bis zweimal die Woche durchgeführt werden. Mit der Hippotherapie werden hauptsächlich neurologische Symptome behandelt. Eine Einheit dauert ca. 20-30 Minuten. Sie wird bei bestimmten Erkrankungen und Schädigungen des Zentralnervensystems und des Stütz- und Bewegungsapparates angewendet. Die dreidimensionalen Schwingungsimpulse des Pferderückens wirken auf den Patienten ein. Die Schwingungsimpulse sind fast identisch mit dem Bewegungsablauf des Gehens eines Erwachsenen. Der Patient muss auf die ihm angebotenen Bewegungsimpulse im Rahmen seiner motorischen Fähigkeiten reagieren; d.h. er sitzt nicht aktiv auf dem Pferd, sondern er antwortet auf die auf ihn ununterbrochen einwirkenden Bewegungsreize. Muskelfunktionen oder Bewegungsabläufe wie z.B. das Gehen können so erhalten, verbessert oder wieder neu erlernt werden. Die Bewegung des Pferdes hat ebenso Auswirkungen auf das Gleichgewicht und die Koordination, auf die Rumpfaufrichtung und die Rumpfkontrolle, auf die sensomotorische Integration und auch auf die Psychomotorik durch gesteigerte Motivation. Die ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd wird von speziell ausgebildeten Ergotherapeuten durchgeführt. (vgl. dkthr)
Ein anderer Fachbereich stellt die ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd dar. Die Grundlage der Behandlung sind der sensomotorisch-perzeptive, motorisch-funktionelle und psychisch-funktionelle Ansatz mithilfe des Mediums Pferd. Ziel ist es, dass der Mensch unterstützt wird, sodass er so handlungsfähig ist, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dabei soll der Einsatz des Pferdes die Zielsetzung der ergotherapeutischen Behandlung durch den Bewegungsdialog, das Beziehungsangebot und den Erfahrungsraum unterstützen. Zielgruppen sind z.B. jede, die durch neurophysiologische, wahrnehmungsorientierte oder psychomotorische Behandlungskonzepte in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Reiterliche Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Behandlung wird von einer ausgebildeten Ergotherapeutin mit einer Zusatzqualifikation in der ergotherapeutischen Behandlung mit dem Pferd durchgeführt und vom Arzt verordnet. Die Therapiemaßnahme wird in der Regel als Einzelbehandlung durchgeführt. Bei Kindern auch in Kleingruppen. Eine Assistentin wird je nach Ansatz und Zielgruppe eingesetzt. Der therapeutische Effekt beruht auf dem Umgang mit dem Pferd und der Übertragung der dreidimensionalen Schwingungen und Bewegungen, die vom Pferd in den drei Gangarten ausgehen, auf den auf dem Pferd sitzenden Patienten. (vgl. dkthr)
Ein weiterer Bereich ist das Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung. Beim Reitsport für Menschen mit Behinderungen geht es um das Erlernen der Sportart Reiten. Für Menschen mit Behinderung ist das Reiten, Fahren oder Voltigieren ein sportliches Lern- und Übungsfeld, welches sie gemeinsam mit nicht behinderten Menschen nutzen können. Der Pferdesport ist durch die Entwicklung spezieller Hilfsmittel und besonders ausgebildeter Pferde sogar für schwerstbehinderte Menschen möglich. Notwendig für behinderte Sportler die am Reit- oder Fahrsport teilnehmen ist einen Sportgesundheitspass. Trainiert werden Menschen mit Behinderungen im Pferdesport von Trainern mit einer Zusatzqualifikation im Bereich Reiten als Sport für Menschen mit Behinderungen. Die ärztliche Betreuung übernimmt meist der Hausarzt. Behinderten Reitern ist es möglich ihr Können in speziellen Wettkampfklassen unter Beweis zu stellen. Dies sind z.B. die Paralympics.
Der vierte Bereich ist die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd. „Unter dem Begriff Heilpädagogisches Reiten (HPR) werden pädagogische, heilpädagogische und sozio-integrative sowie psychologische, therapeutische und rehabilitative Einflussnahmen mit Hilfe des Pferdes zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigungen verstanden.“ (dkthr)
In der heilpädagogischen Förderung werden pädagogische, heilpädagogische und/oder psychologische/psychotherapeutische Konzepte zur psycho-sozialen und psycho-motorischen Förderung und Stabilisierung von Menschen aller Altersgruppen mit Hilfe des Mediums Pferd eingesetzt. Fachkräfte verfügen über eine pädagogische/psychologische Grundqualifikation mit einer Zusatzqualifikation in der heiltherapeutischen Förderung mit dem Pferd. Eine jährliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Klienten sollte von einem Arzt eingeholt werden, vor allem bei Personen mit Krankheitsbildern wie diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Das Zusammenspiel zwischen psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen Fachleuten ist wichtig. Bei Körperbehinderungen und bei Personen mit neurologischen Krankheitsbildern ist eine Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Fachätzen notwendig. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist empfehlenswert.
Überblick über den Bereich der HPF
Kinder und Jugendliche haben aus einem grundlegendem menschlichen Bedürfnis heraus eine natürliche Zuneigung zu Tieren. Sie suchen Kontakt zu ihnen und wollen sie lieb haben und auch lieb gehabt werden. Tiere schaffen ein lebensfrohes und ungezwungenes Klima, welches viele Kinder anspricht. Viele Kinder finden zu Tieren leichter einen Zugang als zum Menschen. Durch die Tierhaltung und den Umgang mit Tieren kann die Persönlichkeitsbildung gefördert und die Kontaktaufnahme zur Umgebung und zu den Mitmenschen erleichtert werden. Pferde eignen sich hierzu besonders gut, weil sie vielfältige Möglichkeiten anbieten. Sie lassen sich sowohl beobachten, füttern, pflegen als auch reiten. Sie sind anspruchsvolle Spielgefährten und sind immer bereit. Dies alles macht sie besonders liebenswert und begehrt. Beim Reiten und im Umgang mit dem Pferd wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: emotional, körperlich, geistig und auch sozial. Zur heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd gehören also wesentlich der Aufbau einer Beziehung, das Berühren, das Pflegen, das Führen des Pferdes sowie das Aufsitzen und Sich-tragen-lassen, Reiten am Langzügel und das Ausreiten mit dem Handpferd. Nicht die reiterliche Ausbildung, sondern die individuelle Betreuung und Förderung in engem Bezug zum Pferd stehen im Vordergrund. Eine positive Beeinflussung des Wohlbefindens, der Persönlichkeitsentwicklung und des Sozialverhaltens wird durch die ganzheitliche Therapieform angestrebt. Der Bereich der Kognition und Sprache, der sozial-emotionale und der Bereich Motorik und Wahrnehmung werden angesprochen. Die Reitpädagogen und die Klienten begeben sich gemeinsam auf den Weg. (vgl. Gäng, 2015, 24ff.) Das Hauptziel liegt in der Förderung/ Initiierung von Dialogfähigkeit und der Handlungskompetenzen. Dies sind Voraussetzungen zum Aufbau von Beziehungen. (vgl. Unterlagen Seminar)
Die Zielsetzungen im individuellen Bereich der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd sind zum einen die Hilfen beim Vertrauensaufbau, das Erleben und Differenzieren von Emotionen, die Harmonisierung der Motorik, das Schärfen der Wahrnehmungssensibilität, das Anheben der allgemeinen Motivationslage und das Erhöhen der Konzentrationsintensität und- Dauer. Im sozialen Bereich sind die Zielsetzungen das Einbeziehen eines Anderen in die eigenen Aktivitäten. Die kann sowohl das Pferd als auch ein Gruppenmitglied sein. Das Wecken und Fördern der Kooperationsbereitschaft stellt ebenfalls ein Ziel dar. Genau wie der Umgang mit Aggressionen und das Anheben der Toleranzschwelle gegenüber der eigenen Leistungsschwächen oder auch die Schwächen des gesamten Gruppengeschehens.
Die Indikatoren und Kontraindikatoren der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd sind folgende:
Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd wird angewendet wenn eine Entwicklungsverzögerung im Bereich der Wahrnehmung, Motorik, Sozialverhalten, Kommunikation und Sprache, Koordination, Kognition, eine Geistige Behinderung, Lernbehinderung, Herabgesetzte Motivation, Verhaltensbesonderheiten, Schwierigkeiten im Sozialverhalten, Motorische Schwierigkeiten, Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen, Schwierigkeiten in der Aufnahme und Gestaltung von Beziehungen etc. vorliegen.
Bei den folgenden Krankheitsbildern kann eine heilpädagogische Förderung mit dem Pferd nur in enger Zusammenarbeit mit ärztlichen und psychologischen Fachkräften stattfinden: Essstörungen, Autismus, Ängste, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen, Neurosen, Zwangserkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Dissoziale Störungen, Abhängigkeit/Sucht.
Kontraindikationen in Bezug auf die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd splitten sich zum einen in relative und absolute.
Relative, also jene, bei denen eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich sind, sind: Herzerkrankungen/Herzfehler, Obstruktive Lungenerkrankungen, Juvenile Diabetes, Pferdehaarallergie, Stauballergie, Skoliose, Gleichgewichtsstörungen, Epilepsie, Hüftluxationen, Metallimplantate, Bandscheibenvorfälle, Versteifung der Wirbelsäule, Skoliose Cobb Winkel >25, Blutgerinnungshemmende Medikamente, Blutgerinnungsstörungen, Osteoporose/ andere Knochenkrankheiten, akute Schmerzzustände, Spondylolisthesis.
Akute Kontraindikatoren hingegen sind: Schwere Gleichgewichtsstörungen, Unüberwindbare Angststörungen, akute Schmerzzustände, akute entzündliche Erkrankungen, Blutgerinnungsstörungen, Vermehrte Brüchigkeit der Knochen, Epilepsie mit Grand Mal Anfällen, Allergisches Asthma, Thrombosen, Dekubiti, Down Syndrom bei Vorliegen einer Atlas Dysplasie, Akute Psychose, Essstörungen, Bewusstseinsstörungen, Akute Suizidalität, Multiple Sklerose im akuten Schub. (vgl. Unterlagen Seminar)
Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd nutzt den Beziehungsaspekt über das Medium Pferd: „Bei Heilpädagogischem Reiten steht weniger das Reiten, sondern die umfassende Beziehung zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt“. (Leugner, Winkelmayer, Simon 2002, 15)
Nach Gäng sind Pferde und Ponys bei verhaltensschwierigen Kindern und Jugendlichen besonders gut geeignet. Jeder hat ein angeborenes Bedürfnis, eine Veranlagung mit Lebendigem, Menschen oder Tieren, umgehenden zu wollen. Pferde sind in ihrem Verhalten meist konstant. Sie sind verlässlich und in Erziehungsprozesse ein planbar. Pferde verändern ihr Verhalten auch kaum, wenn sie inmitten einer lauten Kinderschar sind. Sie sind „rücksichtsvoll“ und „einfühlsam“, bleiben stehen, wenn sie spüren dass ein Kind auf ihrem Rücken droht herunterzufallen. Pferde haben ein feines Gespür für Stimmungen. Sie zeigen Ungeduld, Angst, Unruhe oder reagieren auf falsche Behandlung. Dadurch fordern sie das Kind zum Handeln und zum Reagieren auf. Gegenüber dem Menschen zeigen Pferde Zurückhaltung. Diese Eigenschaft ist gegenüber sozial beeinträchtigen Kindern sehr wichtig. Pferde biedern sich nicht an, sondern lassen sich umweben, und so wird das Erlebnis ihrer Zuneigung stärker. Kinder werden zu aktivem Beobachten und zum Sich-Einfühlen gebracht. Pferde können sich nicht verstellen, sie reagieren immer artgerecht. Sie reagieren nicht menschlich, sie rächen weder noch strafen sie. Pferde sind eigentlich gutmütig, können aber auf schlechte Erfahrungen negativ reagieren. Diese Erfahrung ist für verhaltensauffällige Kinder und Jugendlichen besonders wichtig. So erfahren sie, dass das abweichende Verhalten nicht zwangsläufig und nicht überall aggressive Reaktionen hervorruft.
Die Motivation für ein Kind oder für einen Jugendlichen, sich auf ein Pferd einzulassen, ist die Möglichkeit des Reitens selbst: sich fortbewegen, sich tragen lassen, sich bewähren, sich durchsetzen müssen. Das Kind oder der Jugendliche kann sich über seinen Körper mitteilen und empfängt vom Pferd und dem Pferdekörper Signale und Mitteilungen. Körperliches und seelisches Fühlen und Empfinden wird angeregt. Die genannten Eigenschaften des Pferdes sind auch geeignet, Urvertrauen zu bilden, was bei verhaltensschwierigen Kindern besonders wichtig ist. Außerordentlich wichtig ist auch die Motivation durch den Umgang mit dem Pferd. Die Pflege des Tieres, des Sattelzeugs, des Stalls sind für die Kinder nicht Arbeiten wie etwas Schreiben oder die Spülmaschine ausräumen, sondern eindeutig einsichtlich und werden als notwendig angesehen. Die Motivation durch den Umgang mit etwas Schönem mag mit dazu beitragen, sich selbst schöner zu erleben. Ein Kind empfindet dem Pferd gegenüber Respekt, Angst, Bewunderung und Liebe. Diese Dinge sind pädagogisch bekannt als die Voraussetzungen für Erziehungs- und Lernprozesse. Das Pferd vermag durch seine Gestalt und durch sein Wesen bei verhaltensschwierigen Kindern und Jugendlichen Reaktionen zu bewirken, die diese im Normalfall nicht zeigen. Reiten und der Umgang mit Pferden können idealerweise dazu beitragen, positive Sozialisationsprozesse in Gang zu setzen und Störungen zu beheben weil sie
das Bedürfnis nach positiver Zuwendung befriedigen (und damit die Störungsursachen erreichen)
soziale Fertigkeiten trainieren, indem sie dem Kind/Jugendlichen Möglichkeiten des Kontakts und der sozialen Bestätigung verschaffen. Die anders nicht vom Kind/Jugendlichen akzeptieren werden würden
Esel, Ponys und Pferde sind für das therapeutische Reiten geeignet. Entscheidender als die Pferderasse sind der gutmütige Charakter des Tieres und die Sympathie des Reitpädagogen zu seinem Tier. Islandpferde sind eine Rasse, die sich sehr gut für das heilpädagogische Reiten eignet, allerdings sollten Therapietiere immer die gleiche Bezugsperson haben, die sie reitet und betreut. Auch Haflinger und Freiberger haben sich in Heimen und Reitbetrieben bewährt. Sie sind ruhig, gutmütig und können auch größeres Gewicht tragen. Der Charakter sollte weder zu temperamentvoll noch zu phlegmatisch sein und ein Tier, das immer angetrieben werden muss, ist ebenfalls unpassend. Ein waches, vorwärtsgehendes, gutmütiges Tier, das weder ausschlägt noch bockt, entspricht der Idealvorstellung. Das Tier darf durchaus sensibel oder ängstlich sein und soll sich nicht alles gefallen lassen. Wenn unterschiedliche Pferde mit unterschiedlichen Charakteren zur Verfügung stehen, erhöhen sich die Einsatzmöglichkeiten bei den einzelnen Kindern und Jugendlichen. Für ängstliche Kinder in ein anhängliches, ruhiges Tier, dem gegenüber sie sich überlegen fühlen, von Vorteil. Solch ein Tier gibt ihnen die notwenige Sicherheit, die sich günstig auf ihr weiteres Verhalten gegenüber dem Tier auswirkt. Draufgängerische Kinder finden bei einem eigenwilligen Tier, das sich nicht alles gefallen lässt, die notwendigen Grenzen. Auf jeden Fall ist es wichtig, den Kindern die Achtung vor dem Tier beizubringen, indem man ihnen erklärt, was sie sich erlauben können und was nicht. Man muss den Kindern vermitteln, dass das Tier Angst und Schmerz und auch Lärm und Ruhe genauso empfindet wie sie selbst. Tiere lassen sich im Allgemeinen viel von Kindern und Jugendlichen gefallen. Sie erdulden Dinge, die sie von Erwachsenen nie akzeptieren würden. Wenn sie jedoch den Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen müde sind, zeigen sie dies durch Weglaufen, wenn ihnen alles zu stürmisch wird, oder durch langsames Gehen, wenn sie spüren, dass das Kind nicht mehr aufmerksam ist. Das Kind oder der Jugendliche akzeptiert diese Verhaltensweisen in der Regel und zieht oft die richtigen Schlüsse. Über eine kürzere Zeitspanne soll dem Kind oder dem Jugendlichen immer das gleiche Tier zu Verfügung stehen werden. Das Tier wird zu Beginn immer erst geführt. Ein korrekt ausgebildetes Pferd kann dabei problemlos am Halfter und mit dem Strick geführt werden. Im Führen des Tieres liegen viele pädagogische Werte, wie sich einfühlen lernen, sich im richtigen Moment durchsetzen können, sich anpassen, Befehle zu erteilen und Gespräche zu führen. (vgl. Gäng, 2015, S.60ff)
Im Vordergrund einer regelmäßigen Beschäftigung mit dem Tier steht der erzieherische Wert. Einem Großteil von Kindern und Jugendlichen fehlt die Beziehung zur Natur. Es fehlt ihnen der Einblick in den Lebenszyklus lebendiger Organismen. Damit fehlt ihnen auch die Möglichkeit, Fütterung und Pflege eines lebendigen Wesens als selbstverständliche Vorgänge zu erleben. Sie lernen also Verantwortung gegenüber einem Lebewesen zu tragen, welches von ihnen abhängig ist. Der Vorgang der regelmäßigen Beschäftigung in Form von Pflege und Fütterung des Tiers bedarf vorrausschauender Planung und Vorbereitung. Der pädagogische Wert liegt in der Forderung der immer wiederkehrenden Pflichten und Zeiten. Der Erwachsene sollte dem Kind oder dem Jugendlichen mit Geduld zur Seite stehen und Lob nach richtiger Arbeit aussprechen. Gut ist es dabei, dass sich dadurch ein Zwiegespräch anbietet. Während des Pflegens werden Gefühle frei, wie es auf so spontane Art kaum woanders möglich wäre. Der Kontakt zum Tier hilft Ängste abzubauen. Er schenkt Selbstbestätigung und Freude am Umgang mit dem Pferd. (vgl. Gäng, 2015, S. 67f)
Konzeption zur heilpädagogischen
Förderung mit dem Pferd
Einleitung
Beschreibung des Stalls
Der Reitstall bietet Maßnahmen zur bedarfsorientierten Förderung motorischer, kognitiver, psychischer und sozialer Fähigkeiten sowie der Sinneswahrnehmung von Menschen jeder Altersstufe. Der Reitstall befindet sich in Büren im Ortsteil Wewelsburg. Der Stall in Wewelsburg verfügt über einen Reitplatz und über Offenstall- und Bewegungsflächen für das Therapiepferd sowie ein großes Außengelände. Die ländliche Umgebung bietet vielfältige Möglichkeiten zur Naturerfahrung.
Kooperation
mit dem Kuratorium für Therapeutisches Reiten in Warendorf mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)mit dem deutschen Sportbund (DSB)
Vorstellung der Fachkraft
Die Maßnahmen wird Susanne Schäfers durchführen. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaft und während der Arbeit in der stationären Jugendhilfe nahm sie erfolgreich an der Aufbauausbildung „Fachkraft zur Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd teil“.
Rahmenbedingungen
Teilnehmer/innen Struktur:
Die Maßnahme richtet sich an alle Kinder und Jugendlichen. Als Zielgruppen sind besonders zu benennen: Personen mit Lernbehinderung, geistiger Behinderung, Verhaltensauffälligkeiten (Überängstlichkeit, Überaktivität), Störungen in der emotionalen Entwicklung (Beziehungsprobleme), Störungen in der Wahrnehmung und Bewegung aufgrund verschiedener Verursachungsmomente (psychoorganisches Syndrom/ POS, minimale Cerebrale Dysfunktion/ MCD, Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität/ ADHS, sensorische Integrationsstörung), Sprachbehinderung, Seh- und Hörbehinderung, autistischen Verhaltensweisen, psychischen Störungen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Selbstwertproblemen nach Gewalterfahrungen (körperliche, emotionale, sexuelle), Störungen in der Eltern- Kind- Beziehung (Kommunikationsprobleme, behinderungsspezifische Diskriminierung, Herkunft, Alter u.a.).
Das heilpädagogische Reiten und Voltigieren
„Unter dem Begriff Heilpädagogisches Reiten (HPR) werden pädagogische, heilpädagogische und soziointegrative sowie psychologische, therapeutische und rehabilitative Einflussnahmen mit Hilfe des Pferdes zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigungen verstanden.“ (Definition des Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten, DKThR)
In der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd werden pädagogische, heilpädagogische und/oder psychologische/psychotherapeutische Konzepte zur psycho-sozialen und psycho-motorischen Förderung und Stabilisierung von Menschen aller Altersgruppen mit Hilfe des Mediums Pferd eingesetzt. Fachkräfte verfügen über eine pädagogische/psychologische Grundqualifikation mit einer Zusatzqualifikation in der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd. Das Zusammenspiel zwischen psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen Fachleuten ist wichtig. Bei Körperbehinderungen und bei Personen mit neurologischen Krankheitsbildern ist eine Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Fachärzten notwendig. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist empfehlenswert. Folgende Krankheitsbilder sind beim heilpädagogischen Reiten denkbar:
Entwicklungsverzögerung im Bereich der Wahrnehmung, Motorik, Sozialverhalten, Kommunikation und Sprache, Koordination, KognitionGeistige BehinderungLernbehinderungHerabgesetzte Motivation VerhaltensbesonderheitenSchwierigkeiten im SozialverhaltenMotorische SchwierigkeitenKonzentrations- und WahrnehmungsstörungenSchwierigkeiten in der Aufnahme und Gestaltung von Beziehungen
Kinder und Jugendliche haben aus einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis heraus eine natürliche Zuneigung zu Tieren. Sie suchen Kontakt zu ihnen und wollen sie liebhaben und auch liebgehabt werden. Tiere schaffen ein lebensfrohes und ungezwungenes Klima, welches viele Kinder anspricht. Viele Kinder finden zu Tieren leichter einen Zugang als zum Menschen. Durch die Tierhaltung und den Umgang mit Tieren kann die Persönlichkeitsbildung gefördert und die Kontaktaufnahme zur Umgebung und zu den Mitmenschen erleichtert werden. Pferde eignen sich hierzu besonders gut, weil sie vielfältige Möglichkeiten anbieten. Sie lassen sich sowohl beobachten, füttern, pflegen als auch reiten. Dies alles macht sie besonders liebenswert und begehrt. Beim Reiten und im Umgang mit dem Pferd wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: emotional, körperlich, geistig und auch sozial. Zur heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd gehören wesentlich der Aufbau einer Beziehung, das Berühren, das Pflegen, das Führen des Pferdes sowie das Aufsitzen und Sich-tragen-lassen, Reiten am Langzügel und das Ausreiten mit dem Handpferd. Nicht die reiterliche Ausbildung, sondern die individuelle Betreuung und Förderung in engem Bezug zum Pferd stehen im Vordergrund. Eine positive Beeinflussung des Wohlbefindens, der Persönlichkeitsentwicklung und des Sozialverhaltens wird durch die ganzheitliche Therapieform angestrebt. Der Bereich der Kognition und Sprache, der sozialemotionale und der Bereich Motorik und Wahrnehmung werden angesprochen. Die Reitpädagogen und die Klienten begeben sich gemeinsam auf den Weg. Das Hauptziel liegt in der Förderung/ Initiierung von Dialogfähigkeit und der Handlungskompetenzen. Dies sind Voraussetzungen zum Aufbau von Beziehungen.
Bei den folgenden Krankheitsbildern kann eine heilpädagogische Förderung mit dem Pferd nur in enger Zusammenarbeit mit ärztlichen und psychologischen Fachkräften stattfinden:
EssstörungenAutismusÄngstePersönlichkeitsstörungenPsychosen, Neurosen, ZwangserkrankungenPosttraumatische BelastungsstörungenDissoziale StörungenAbhängigkeit/Sucht
Kontraindikationen in Bezug auf die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd splitten sich zu einen in relative und absolute.
Akute Kontraindikatoren sind:
schwere Gleichgewichtsstörungenunüberwindbare Angststörungenakute Schmerzzuständeakute entzündliche ErkrankungenBlutgerinnungsstörungenvermehrte Brüchigkeit der KnochenEpilepsie mit Grand Mal Anfällenallergisches AsthmaThrombosenDekubitiDown Syndrom bei Vorliegen einer Atlas Dysplasieakute PsychoseEssstörungenBewusstseinsstörungen akute SuizidalitätMultiple Sklerose im akuten Schub
Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd nutzt den Beziehungsaspekt über das Medium Pferd: „Bei Heilpädagogischem Reiten steht weniger das Reiten, sondern die umfassende Beziehung zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt“. Pferde und Ponys sind bei verhaltensschwierigen Kindern und Jugendlichen besonders gut geeignet. Jeder hat ein angeborenes Bedürfnis, eine Veranlagung mit Lebendigem, Menschen oder Tieren, umgehen zu wollen. Pferde sind in ihrem Verhalten meist konstant. Sie sind verlässlich und in Erziehungsprozesse einplanbar. Pferde verändern ihr Verhalten auch kaum, wenn sie inmitten einer lauten Kinderschar sind. Sie sind „rücksichtsvoll“ und „einfühlsam“, bleiben stehen, wenn sie spüren, dass ein Kind auf ihrem Rücken droht herunterzufallen. Pferde haben ein feines Gespür für Stimmungen. Sie zeigen Ungeduld, Angst, Unruhe oder reagieren auf falsche Behandlung. Dadurch fordern sie das Kind zum Handeln und zum Reagieren auf. Gegenüber dem Menschen zeigen Pferde Zurückhaltung. Diese Eigenschaft ist gegenüber sozial beeinträchtigen Kindern sehr wichtig. Pferde biedern sich nicht an, sondern lassen sich umweben, und so wird das Erlebnis ihrer Zuneigung stärker. Kinder werden zu aktivem Beobachten und zum Sich-Einfühlen gebracht. Pferde können sich nicht verstellen, sie reagieren immer artgerecht. Sie reagieren nicht menschlich, sie rächen weder noch strafen sie. Pferde sind eigentlich gutmütig, können aber auf schlechte Erfahrungen negativ reagieren. Diese Erfahrung ist für verhaltensauffällige Kinder und Jugendlichen besonders wichtig. So erfahren sie, dass das abweichende Verhalten nicht zwangsläufig und nicht überall aggressive Reaktionen hervorruft.
Die Motivation für ein Kind oder für einen Jugendlichen, sich auf ein Pferd einzulassen, ist die Möglichkeit des Reitens selbst: sich fortbewegen, sich tragen lassen, sich bewähren, sich durchsetzen müssen. Das Kind oder der Jugendliche kann sich über seinen Körper mitteilen und empfängt vom Pferd und dem Pferdekörper Signale und Mitteilungen. Körperliches und seelisches Fühlen und Empfinden wird angeregt. Die genannten Eigenschaften des Pferdes sind auch geeignet, Urvertrauen zu bilden, was bei verhaltensschwierigen Kindern besonders wichtig ist. Außerordentlich wichtig ist auch die Motivation durch den Umgang mit dem Pferd. Die Pflege des Tieres, des Sattelzeugs, des Stalls sind für die Kinder nicht Arbeiten wie etwas Schreiben oder die Geschirrspülmaschine ausräumen, sondern eindeutig einsichtlich und werden als notwendig angesehen. Die Motivation durch den Umgang mit etwas Schönem mag mit dazu beitragen, sich selbst schöner zu erleben. Ein Kind empfindet dem Pferd gegenüber Respekt, Angst, Bewunderung und Liebe. Diese Dinge sind pädagogisch bekannt als die Voraussetzungen für Erziehungs- und Lernprozesse. Das Pferd vermag durch seine Gestalt und durch sein Wesen bei verhaltensschwierigen Kindern und Jugendlichen Reaktionen zu bewirken, die diese im Normalfall nicht zeigen. Reiten und der Umgang mit Pferden können idealerweise dazu beitragen, positive Sozialisationsprozesse in Gang zu setzen und Störungen zu beheben, weil sie
das Bedürfnis nach positiver Zuwendung befriedigen (und damit die Störungsursachen erreichen)soziale Fertigkeiten trainieren, indem sie dem Kind/Jugendlichen Möglichkeiten des Kontakts und der sozialen Bestätigung verschaffen. Die anders nicht vom Kind/Jugendlichen akzeptieren werden würden
Esel, Ponys und Pferde sind für das therapeutische Reiten geeignet. Entscheidender als die Pferderasse sind der gutmütige Charakter des Tieres und die Sympathie des Reitpädagogen zu seinem Tier. Islandpferde sind eine Rasse, die sich sehr gut für das heilpädagogische Reiten eignet, allerdings sollten Theapietiere immer die gleiche Bezugsperson haben, die sie reitet und betreut. Der Charakter sollte weder zu temperamentvoll noch zu phlegmatisch sein und ein Tier, das immer angetrieben werden muss, ist ebenfalls unpassend. Ein waches, vorwärtsgehendes, gutmütiges Tier, das weder ausschlägt noch bockt, entspricht der Idealvorstellung. Das Tier darf durchaus sensibel oder ängstlich sein und soll sich nicht alles gefallen lassen. Wenn unterschiedliche Pferde mit unterschiedlichen Charakteren zur Verfügung stehen, erhöhen sich die Einsatzmöglichkeiten bei den einzelnen Kindern und Jugendlichen. Für ängstliche Kinder in ein anhängliches, ruhiges Tier, dem gegenüber sie sich überlegen fühlen, von Vorteil. Solch ein Tier gibt ihnen die notwenige Sicherheit, die sich günstig auf ihr weiteres Verhalten gegenüber dem Tier auswirkt. Draufgängerische Kinder finden bei einem eigenwilligen Tier, das sich nicht alles gefallen lässt, die notwendigen Grenzen. Auf jeden Fall ist es wichtig den Kindern die Achtung vor dem Tier beizubringen, indem man ihnen erklärt, was sie sich erlauben können und was nicht. Man muss den Kindern vermitteln, dass das Tier Angst und Schmerz und auch Lärm und Ruhe genauso empfindet wie sie selbst. Tiere lassen sich im Allgemeinen viel von Kindern und Jugendlichen gefallen. Sie erdulden Dinge, die sie von Erwachsenen nie akzeptieren würden. Wenn sie jedoch den Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen müde sind, zeigen sie dies durch Weglaufen, wenn ihnen alles zu stürmisch wird, oder durch langsames Gehen, wenn sie spüren, dass das Kind nicht mehr aufmerksam ist. Das Kind oder der Jugendliche akzeptiert diese Verhaltensweisen in der Regel und zieht oft die richtigen Schlüsse. Über eine kürzere Zeitspanne soll dem Kind oder dem Jugendlichen immer das gleiche Tier zu Verfügung stehen. Das Tier wird zu Beginn immer erst geführt. Ein korrekt ausgebildetes Pferd kann dabei problemlos am Halfter und mit dem Strick geführt werden. Im Führen des Tieres liegen viele pädagogische Werte, wie sich einfühlen lernen, sich im richtigen Moment durchsetzen können, sich anpassen, Befehle zu erteilen und Gespräche zu führen.
Im Vordergrund einer regelmäßigen Beschäftigung mit dem Tier steht der erzieherische Wert. Einem Großteil von Kindern und Jugendlichen fehlt die Beziehung zur Natur. Es fehlt ihnen der Einblick in den Lebenszyklus lebendiger Organismen. Damit fehlt ihnen auch die Möglichkeit, Fütterung und Pflege eines lebendigen Wesens als selbstverständliche Vorgänge zu erleben. Sie lernen also Verantwortung gegenüber einem Lebewesen zu tragen, welches von ihnen abhängig ist. Der Vorgang der regelmäßigen Beschäftigung in Form von Pflege und Fütterung des Tieres bedarf vorrausschauender Planung und Vorbereitung. Der pädagogische Wert liegt in der Forderung der immer wiederkehrenden Pflichten und Zeiten. Der Erwachsene sollte dem Kind oder dem Jugendlichen mit Geduld zur Seite stehen und Lob nach richtiger Arbeit aussprechen. Gut ist es dabei, dass sich dadurch ein Zwiegespräch anbietet. Während des Pflegens werden Gefühle frei, wie es auf so spontane Art kaum woanders möglich wäre. Der Kontakt zum Tier hilft Ängste abzubauen. Er schenkt Selbstbestätigung und Freude am Umgang mit dem Pferd.
Der besondere Stellenwert des Pferdes
In der pädagogischen und therapeutischen Arbeit wenn auch die Effektivität anderer Vorgehensweisen an dieser Stelle nicht in Frage gestellt werden soll, bietet der Umgang mit einem gut ausgebildeten Therapiepferd doch einige Besonderheiten, welche seine Eignung für den Einsatz in der Therapie unterstreichen:
Das Pferd erleichtert den Einstieg in die Therapie: Reiten und Voltigieren werden von zahlreichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen als Sport durchgeführt. Im Vergleich zu vielen anderen Therapien, welche immer eine Konsequenz aus einer beim Klienten bestehenden Auffälligkeit sind, stellt der Umgang mit dem Pferd also ein Stück Normalität dar und erleichtert selbst „therapiemüden“ Personen die Teilnahme. Der Mangel an Motivation, welcher insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, welche zur Therapie geschickt werden, im Allgemeinen zu beobachten ist, ist daher nicht oder in einem weit geringeren Ausmaß zu erwarten. Die therapeutische Situation besteht in der Psychotherapie aus der Dyade Therapeut und Klient. Das Hinzukommen eines dritten, neutralen Lebewesens, das keine ideellen Ziele verfolgt, lenkt die Aufmerksamkeit des Klienten weg von dem Gefühl des „Therapiert - Werdens“ und vermindert so die Schwellenangst. Die pädagogische Maßnahme mit dem Pferd hat einen hohen motivationalen Charakter. Grund ist das ursprüngliche Interesse am Lebendigen überhaupt, das vor allem Schulkinder mitbringen. Nicht nur die Bereitschaft zur Teilnahme an der Maßnahme, sondern auch das Durchhaltevermögen wird durch den Einsatz des Pferdes gefördert. Pferde reagieren ihrer Art entsprechend auf menschliche Verhaltensweisen. Dies bedeutet, dass sie auf schlechte Erfahrungen durchaus negativ reagieren können, jedoch Reaktionen wie Rache oder Strafe nicht kennen. Von besonderer Bedeutung ist die Konstanz ihres Verhaltens und daher seine Sicherheit bietende Vorhersagbarkeit. Das Pferd akzeptiert den Menschen so, wie er im Augenblick ist. Bei entsprechender Behandlung begegnet es jedem Menschen mit der gleichen Freundlichkeit und zeigt, ohne sich verstellen zu können, keine besondere Zuneigung oder Abneigung wie ein Mensch oder auch andere Haustiere. Im Vergleich zu vielen Menschen - gemeint sind insbesondere all diejenigen, die eine Therapie für notwendig erachten wie Eltern, Ärzte oder Erzieher ebenso wie der Therapeut - erwartet es keine Veränderung vom Kind, es ist frei von Erfolgszwang. Der Umgang mit dem Pferd ermöglicht körperliche Nähe ohne die Gefahr von Grenzverlust: Das gut ausgebildete Therapiepferd macht seine eigenen körperlichen Grenzen deutlich, ohne die des Menschen zu überschreiten. Durch die zahlreichen Berührungen beim Umgang mit dem Pferd sowie beim Reiten oder Voltigieren, durch die Körperwärme des Pferdes, durch Sich bewegen und Bewegt werden lernt der Klient seinen Körper (wieder) auf angenehme Weise wahrzunehmen, ohne dass die Situation vom Gegenüber - in diesem Fall dem Pferd - für seine Zwecke ausgenutzt wird. Der Kontakt mit dem Pferdekörper vom Boden aus ist ebenso wie das Reiten/ Voltigieren somit ein Freiraum, in dem Körperkontakt erlebt und ausprobiert werden kann, was angenehm ist, ohne dass ein Mensch Forderungen an den Klienten stellt. Mit seiner Größe und Lebendigkeit kann das Pferd eine durchaus reale Angst auslösen. Mit Hilfe des Therapeuten und das konstante, bei entsprechender Behandlung durchweg gutmütige Verhalten des Pferdes lernt der Klient, diese Angst zu überwinden macht so eine selbstwertsteigernde Erfahrung. Grundvoraussetzung jeder Therapie ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Helfer und Klient. Im Umgang mit dem Pferd und insbesondere beim Reiten auf dem geführten oder longierten Pferd muss der Klient einen Vertrauensvorschuss wagen, welcher weder seitens des Pferdes noch des Therapeuten enttäuscht wird. Auf diese Weise macht er die Erfahrung, Vertrauen schenken zu können, ohne verletzt zu werden. Das Verhalten eines Pferdes ist prozessorientiert. Dies bedeutet, dass es das schwache Gegenüber, in diesem Fall also den Klienten, schützt. Jedoch wird der Klient nicht verzärtelt oder abhängig gemacht. Je mehr das innere Wachstum voranschreitet, desto stärker wird der Patient auch mit seinen Mustern konfrontiert, bis er schließlich seine `Leittier`- Funktion übernehmen kann. Als `Leittier` wird der Mensch angenommen, der ruhig und selbstbewusst mit dem Tier umgeht, nicht jedoch der aggressive oder auch ängstliche, sich aus Furcht anpassende. Die zwischenmenschliche Beziehung unterscheidet sich von der zwischen Mensch und Pferd dadurch, dass letztere eine rein nonverbale Kommunikation ermöglicht: Sprachliche Inhalte sind in einer derartigen Beziehung bedeutungslos, wesentlich ist körperlicher Ausdruck, Mimik, Gestik und emotionale Intention, ebenso wie sie zu Beginn der individuellen Entwicklung des Menschen als Mittel der Kommunikation zwischen bemutternder Person und Kind im Vordergrund stehen. Das Getragenwerden des jungen Kindes wird von verschiedenen Autoren als entscheidender Faktor für eine gesunde physische und psychische Entwicklung genannt: Das Kind erfährt sich selbst durch eine Vielzahl taktiler, vestibulärer und propriozeptiver Reize durch den direkten Körperkontakt, die Rhythmik und das Getragenwerden. Gleichzeitig ist eine lebhafte Kommunikation mit der Bezugsperson über diesen non - verbalen Kontakt vorhanden. Das Getragenwerden durch das Pferd, der „Dialog durch die Pferdebewegung“, der sich im vorbewußten Bereich vollzieht, erinnert an diesen frühen Bewegungsdialog zwischen Bezugsperson und Kind und lässt so anknüpfen an frühe präverbale...gemeinsam/ ganzheitlich wahrgenommene Erfahrungen des Säuglings im Bewegungsdialog mit der Mutter. Die Impulse, die sich auf den Reiter übertragen, werden in der Literatur oft verglichen mit denen, die ein Kind im Mutterleib erfährt, da die Schwingungen des Pferderückens im Schritt dem Rhythmus des menschlichen Gehens ähnelt. Lässt der Reiter sich auf diese Empfindung ein, erfährt er Gefühle von Vertrauen, Sicherheit, Wärme und Nähe. In diesem Moment des Wiedererlebens liegt die Chance zur Heilung, denn jetzt wird durch die Präsenz des Pferdes eine neue Erfahrung von Geborgenheit, Schutz und Getragenwerden möglich. Pädagogische Botschaften, wie sie auch in anderen Therapien zu finden sind (Vielleicht bist du zu hektisch oder störst andere dadurch dass du immer laut bist? Vielleicht traust du dir nicht viel zu? Vielleicht magst du deinen Körper nicht so, wie er ist und möchtest ihn gern anders bewegen...) werden nicht vom Menschen, sondern durch das Pferd überbracht. Aufgrund der häufig großen Motivation, mit dem Tier in positiven Kontakt zu treten, können in Form eines unmittelbaren Feedbacks gewünschte Verhaltensweisen entwickelt werden, welche durch Maßregelung seitens eines Erwachsenen nicht erzielt wurden. Die Kompetenzen des eigenen Körpers können in wagemutigen, nicht alltäglichen Experimenten erprobt und somit eigene Möglichkeiten realistischer eingeschätzt werden. Ein Pferd ist unmittelbar und lebt in seinen Gefühlen. Es zeigt uns, dass beides möglich ist, das Sanfte und das Starke. Viele Kinder, insbesondere Opfer sexueller Gewalt, sind mit Erwachsenen konfrontiert, deren verbale Botschaften sich nicht decken mit ihrem gefühlsmäßigen Beziehungsangebot und ihrer Körpersprache. Menschliche Sprache enthält immer einen inhaltlichen und einen Beziehungsaspekt, zwei Bereiche, die deckungsgleich oder widersprüchlich sein können. Dieses double - bind - Phänomen führt zu tiefer Verunsicherung und Misstrauen in Beziehungen. Das Pferd gibt diese double - bind - Botschaft nicht, da die Kommunikation auf den non - verbalen Bereich beschränkt bleibt und seine Emotionen sich daher eindeutig in seinem Verhalten und körperlichen Ausdruck wiederspiegeln, es kann sich nicht, wie der Mensch, verstellen. Das Kind kann daher in der Begegnung mit dem Tier eine heilsame Geradlinigkeit und Eindeutigkeit erfahren. Die Körperhaltung ist ein Spiegel der Seele. Das Pferd reagiert auf die Signale des Reiters, welche sich durch dessen Körperspannung übertragen. Aufgrund ihrer besseren Wahrnehmung bezüglich Atmosphäre und Körpertonus können Pferde Vieles aufdecken, was für den Menschen nicht zu sehen oder zu spüren ist. Mehr als auf unsere verbale Sprache reagieren sie auf Tonfall und Körpersprache des Menschen, die weit mehr von dem ausdrücken, was dieser tatsächlich fühlt. Da das Pferd also nicht mit unserem sozialen Selbst, sondern mit unserem tiefen inneren Wesen kommuniziert, werden Gefühle und Bedürfnisse des Klienten für ihn ebenso wie für den Therapeuten transparent. Die Erfahrung von Kompetenz und Selbstwirksamkeit löst eine Veränderung der Selbstwahrnehmung aus. Diese Erfahrungen können bei der selbständigen Arbeit mit dem Pferd vom Boden aus (Putzen, trensen und gurten, Bodenarbeit) ebenso gemacht werden wie bei verschiedenen Übungen auf dem Pferd. Die Möglichkeiten der Förderung mit dem Medium Pferd sind vielseitig. Je nach Therapieziel können die Akzente unterschiedlich, beispielsweise mehr auf die Förderung der Beweglichkeit und das Lösen von Verspannungen oder eher auf den Erwerb sozialer Kompetenz gesetzt werden. Erfolg beim Reiten und Turnen auf dem Pferd sowie der zunehmend sichere Umgang mit dem Pferd steigern den Selbstwert des Kindes. Reagiert das Pferd zudem im Laufe des therapeutischen Prozesses im zunehmend sicheren und konsequenten Umgang des Kindes mit dem Tier mit gewünschten Reaktionen beim Putzen, Reiten oder Führen, findet auch hier eine selbstwertsteigernde Erfahrung statt. Darüber hinaus lernt der Mensch seinen Körper als Teil seines Selbst, beispielsweise die Lage einzelner Körperteile, Muskelfunktionen und Bewegungsabläufe näher kennen und lernt zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen zu unterscheiden, ohne Grenzüberschreitungen seitens des Pferdes fürchten zu müssen. Er erfährt unmittelbar seine körperlichen und psychischen Fähigkeiten wie Kondition, Beweglichkeit und Mut, Willenskraft, Durchsetzungsvermögen ebenso wie seine Grenzen, die sich in körperlichen oder psychischen Blockaden und in der mangelnden Fähigkeit, das Pferd zur Mitarbeit zu bewegen, äußern können. Mehr noch als durch Heraushebung der gezeigten Fähigkeiten seitens des Therapeuten kann durch die Reaktionen des Pferdes und geschickte Vermittlung von Erfolgserlebnissen das Gefühl für die eigenen Kompetenzen gestärkt und somit eine selbstwertsteigernde Erfahrung gemacht werden. Der Wirkungsmechanismus reittherapeutischer Angebote kann mit demjenigen der psychomotorischen Therapie verglichen werden: Es kann in der Reittherapie das selbständige Tun und Eigenaktivität unterstützt werden. Mehr als in vielen anderen, häufig verbal orientierten Therapierichtungen hat das Kind hier die Möglichkeit, auf der Basis eigenen Handelns zu lernen, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst zu entscheiden und sich somit letztlich selbst zu regulieren. Je häufiger das Kind erfährt, dass seine Handlungen etwas Gewünschtes bewirken, desto mehr wird sein Vertrauen in sich und seine Kompetenzen steigen und ein positives Bild von der eigenen Person sich entwickeln.
Methodische Aspekte
Trainingsplan:
Der Versuch, sich an ein vorgefertigtes Programm zur Durchführung einer Reittherapie zu halten, ist wenig sinnvoll, da der Therapeut sich in dem Bemühen, Programmpunkte zu realisieren, in seiner Flexibilität und Offenheit für die jeweiligen Bedürfnisse des Klienten zu stark einschränkt, den in den einzelnen Sitzungen aktuellen Bedürfnissen des Kindes nicht entgegenkommen kann und somit letztlich den Therapieerfolg möglicherweise behindert. Dennoch wird vor Trainingsbeginn ein ungefährer Rahmenplan aufgestellt, welcher grob die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Therapiestunden erfasst, um Klarheit über die Ziele der Intervention und Möglichkeiten zu deren Realisierung zu gewinnen. Dieser kann etwa wie folgt aussehen:
1. Trainingseinheit:
Die erste Trainingseinheit umfasst alle Aktivitäten, die dazu beitragen, dass der Klient mit dem Lebewesen Pferd, dessen artspezifischen Eigenschaften und Lebensgewohnheiten, den zum Reiten und Voltigieren benötigten Ausrüstungsgegenständen sowie dem Umfeld, in dem die Intervention stattfindet und dem Therapeuten vertraut wird. Diese Einheit beinhaltet die Beobachtung des Pferdes auf der Weide, im Umgang mit Artgenossen, seine Körpersprache und seinen Bewegungsfluss, das Vorführen des Pferdes und die Erklärung der einzelnen Körperteile desselben, die Erklärung artspezifischer Eigenschaften durch den Therapeuten, das Berühren, Fühlen und Riechen des Pferdes, die Vorstellung der Ausrüstungsgegenstände und deren Anwendung. Das Kind wird im selbständigen Putzen des Pferdes angeleitet. Weiterhin werden Regeln im Umgang mit dem Pferd außerhalb und in der Halle erklärt und geübt.
2. Trainingseinheit:
Der Schwerpunkt dieser Einheit liegt in dem Aufbau von Vertrauen in die Gutartigkeit des Pferdes und dessen Gehorsam gegenüber dem Therapeuten sowie der Einfühlung des Klienten in den Bewegungsrhythmus des Pferdes. Das Pferd wird vom Boden aus in seinen Reaktionen auf die Anweisungen des Therapeuten beobachtet, es werden Übungen zur Kontaktaufnahme des Klienten mit dem Pferd gemacht (beispielsweise im Schritt und Trab vom Longenführer zu der Pferdeschulter und zurück laufen, sich dem Pferd von außerhalb des Zirkels oder schräg von hinten nähern). Es werden verstärkt Übungen zur Wahrnehmung des eigenen Körpers auf dem Pferdekörper und der Bewegungen des Pferdes unter dem Reiter durchgeführt (z.B. sich in die am Pferd anliegenden Körperteile einfühlen, mit geschlossenen Augen auf dem Pferd sitzen, sich „wie eine schlabberige Puppe aus Gummi“ vom Pferd durchschwingen lassen, sich auf das Pferd legen, im Schreitrhythmus des Pferdes dessen Hals klopfen). Die Übungen werden auf dem bloßen Rücken des nur mit einem Voltigiergurt und der Trense ausgerüsteten Pferdes durchgeführt, um optimalen Körperkontakt des Kindes zum Pferd zu gewährleisten. Es wird eine größere Selbständigkeit im Umgang mit dem Pferd gefördert sowie erste selbstwerthebende Übungen auf dem Pferd im Wechsel mit Entspannungsübungen zum weiteren Vertrauensaufbau durchgeführt. Das Kind putzt das Pferd weitestgehend selbständig, lediglich beim Reinigen der Hufe wird noch Hilfestellung gegeben. Einfache Voltigierübungen (z.B. Grundsitz, „Bank“, „Scheibenwischer“) werden im Stehen und im Schritt ausgeführt. Entspannungsübungen wie das Liegen auf dem Pferd und Reiten mit geschlossenen Augen werden nun im Schritt gestaltet.
3. Trainingseinheit:
Der Klient soll das Pferd völlig selbständig reinigen und führen sowie Hilfestellung beim aufgurten und -trensen leisten können. Es sollen Kompetenzerfahrungen zur weiteren Verbesserung des Selbstbildes durch selbständiges Arbeiten an und mit dem Pferd sowie Übungen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad auf dem Pferd gemacht werden. Zu diesem Zweck halftert der Klient das Pferd selbständig auf und führt es aus der Box. Es führt mit dem Pferd in der Halle Bodenarbeit durch: Der Klient führt das Pferd im Slalom oder kleinen Kreisen um auf dem Boden befindliche Gegenstände herum und über Stangen hinweg, weiterhin übt es mit ihm das Rückwärtsrichten. Auf dem Pferd werden schwierigere Aufgaben wie Knien, Stehen, Galoppieren ohne Festhalten geübt.
4. Trainingseinheit:
Nun soll der Klient alle vor- und nachbereitenden Arbeiten rund um das Pferd selbständig durchführen sowie weitere Voltigierübungen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad erlernen. Der Klient gurtet und trenst das Pferd selbständig. Er reitet eventuell mit Sattel an der Longe, um sich auf das spätere selbständige Reiten vorzubereiten. Ohne Sattel (mit Gurt) werden schwierigere Übungen wie seitwärts- und rückwärts Knien oder die „Bank“ im Galopp ausgeführt. Das Kind bringt das Pferd selbständig in die Box bzw. auf die Weide.
Es wird die Möglichkeit geschaffen, das bislang Gelernte anderen Personen gegenüber vorzuführen. Weiterhin soll zur Vorbereitung auf einen späteren Wechsel in eine Reitgruppe die Zusammenarbeit mit Partnern am Pferd geübt werden. Es ist zu beachten, dass sich die Inhalte der einzelnen Trainingseinheiten überschneiden, so ist beispielsweise das Kennenlernen artspezifischer Eigenschaften und die Einfühlung des Klienten in die Gangarten des Pferdes ein einheitenübergreifender Prozess. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, die einzelnen Inhalte in ihrer Zuordnung auf bestimmte Therapiestunden zu beschränken, ihre Förderung wird lediglich an geeigneter Stelle in den Vordergrund gestellt. Hierzu gehört die Entwicklung einer besonderen Sensibilität für die Bedürfnisse des Klienten. Dieses Einfühlungsvermögen ist besonders dort gefordert, wo gewohnte Formen der Kommunikation nicht zur Verfügung stehen oder das Verhaltensrepertoire eingeschränkt ist. Hier steht die Pädagogin vor der Aufgabe
Verhaltensvariationen aufzuzeigenAngebote zu machenWahlmöglichkeiten vorzustellen, - nichts sollte aber ohne oder gegen die ausdrückliche Einwilligung der Klienten durchgeführt werden.
Integration Leben in Selbstbestimmung und Normalität schließt die Integration und die Teilhabe am Leben des sozialen Umfeldes mit ein. Normalität beinhaltet auch, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt die Möglichkeiten privater, öffentlicher und politischer Partizipation und Gestaltung nutzen können und hierbei in ihren Interessen akzeptiert und unterstützt werden. Gleichwertigkeit und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft sind die Grundorientierungen integrativer Arbeit. Hierbei wird deutlich, dass Integration nicht Anpassung an vorgegebene Strukturen beinhalten kann, sondern dass es gelingen muss, Formen und Möglichkeiten von Kontakten, Kommunikationen und Teilnahmebedingungen zu entwickeln, die es jedem Einzelnen ermöglichen, Ansätze selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Lebens aktiv und in Bezug zu seiner Umwelt realisieren zu können. Die gemeinsame Teilnahme an Voltigiergruppen mit nicht behinderten Kindern bietet eine solche Möglichkeit der Integration
Ziele
Ziele der Fördermaßnahme ist, über die Verbesserung motorischer, kognitiver, seelischer und sozialer Fähigkeiten dem Einzelnen zu einem besseren Selbstwert und größerer Eigenständigkeit in der Bewältigung seiner Lebens- und Alltagssituation zu verhelfen. Die konzeptionellen Schwerpunkte liegen dabei zunächst in der gezielten Förderung von Motorik, Gleichgewicht, Wahrnehmung, der Beziehungsgestaltung zum Pferd, zur Pädagogin sowie anderer Gruppenteilnehmer. Es ist Aufgabe der Pädagogin, sowohl für die gesamte Gruppe als auch individuell für jeden Einzelnen hierfür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, diesen Prozess zu begleiten und zu unterstützen.
Als Fernziele seien benannt:
Entwicklung von sozialen Kompetenzen.Abwendung einer drohenden, Milderung einer bestehenden BehinderungAufbau von Schlüsselqualifikationen, die für eine schulische Ausbildung Voraussetzung sind, zu ermöglichen und zu fördern.das Lebensumfeld der Kinder/ Jugendlichen positiv beeinflussen
Die Ziele im Detail:
Soziale Kompetenzen Selbstwertstärkung Entwicklung von Kommunikationsfähigkeit Entwicklung von gewaltfreien von Einstellung auf den Anderen Entwicklung von EmpathieAbbau von Aggression
Abbau von AntipathienHilfen zur Gründung von FreundschaftenEinübung von Arbeiten im Team Individuelle KompetenzenErhaltung bzw. Ausbau von MotivationAufbau von VertrauenAbbau von ÄngstenErlernen richtiger SelbsteinschätzungAufbau von SelbstwertgefühlErhöhung der Konzentrationsdauer und –IntensitätTraining der Sensomotorik und der sensorischen Integration Motorische KompetenzenErwerb einer physiologischen KörperhaltungGleichgewichtsschulungRegulierung des MuskeltonusVerbesserung des KörperschemaAnerkennung des eigenen Körpers
Dauer der Maßnahme:
Die Maßnahme sollte für wenigstens zwölf Monate durchgeführt werden, um Erfolge im Alltag der Teilnehmer/Innen zu festigen, ist eine Verlängerung um jeweils ein halbes Jahr anzuraten.
Grundssatzregeln:
Die Motivation zur Teilnahme an der Intervention sollte von der Attraktivität des Bewegungsangebots ausgehen. Der Umgang mit dem Pferd hat für viele Kinder und Jugendliche von vornherein einen hohen Aufforderungscharakter. Der Grund hierfür liegt neben dem Interesse des Kindes am Lebendigen an der erlebnisorientierten Bewegungssituation, wie sie insbesondere in den schnelleren Gangarten Trab und Galopp sowie bei schwierigeren Voltigierübungen gegeben ist.In den Unterrichtsstunden sollte eine freundliche, vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden, in der das Kind oder der Jugendliche sich mit seinen Schwächen akzeptiert und in seinen Wünschen ernstgenommen fühlt.Die für den Stundenablauf und das Wohlbefinden des Pferdes notwendigen Grenzen werden einsichtig gemacht.Die Aktivität des Kindes/ Jugendlichens sollte nicht durch Verbote eingeschränkt, sondern durch entlastende Bewegungsangebote aufgefangen und so in erwünschte Bahnen gelenkt werden, die zu einer besseren Organisation seines Verhaltens führen.Schwierigkeitsgrade von Bewegungsaufgaben sollten den Fähigkeiten des Kindes/ Jugendlichens angepasst sein, jedoch auch so unterschiedlich ausgewählt werden, dass es sich selbst einordnen kann.Freiwilligkeit und Transparenz sind die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Art und Umfang der Maßnahme werden im Vorfeld mit dem Klienten besprochen, es wird ein Vertrag aufgesetzt und von Therapeut sowie Klienten unterzeichnet, um dem Klienten die Sicherheit zu vermitteln, Dinge selbst beeinflussen zu können.
Arbeitsweisen:
Es findet sich ein in den vergangenen Jahren zunehmendes Interesse an pädagogisch- therapeutischen Maßnahmen mit dem Pferd, es mangelt jedoch an theoretischer Fundierung. Dies erlaubt es dem Therapeuten nicht, bei einem Klienten nach einem vorgegebenen Schema vorzugehen. Er muss sich vielmehr auf jeden Klienten und dessen Persönlichkeit neu einstellen. Grundsätzlich gibt es keine allgemeingültige Methode im therapeutischen Reiten, die Arbeitsweise hängt immer ab von Persönlichkeit, Krankheitsbild und Alter des Klienten, ebenso vom Wesen des Pferdes, dem Ort, an dem die Therapie durchgeführt wird (Halle, Sandbahn oder Gelände; in einer dem Klienten vertrauten oder fremden Umgebung), sowie dem Wesen und den Erfahrungen des Therapeuten, dessen Umgang mit und Einstellung zu seinem Klienten und dem Pferd. Es ist in der Reittherapie eher von Nachteil, von Vorerfahrungen eines Klienten zu wissen, da die eigene Einstellung zum Klienten (z. B. Mitleid) und die aus dem Wissen resultierenden Erwartungen durch die Kenntnis der Vorgeschichte beeinflusst werden kann. Ein unvoreingenommenes Herangehen an den Klienten ist so kaum möglich, es wird dem Therapeuten erschwert, ihn so anzunehmen, wie er ihm im Moment entgegentritt und damit zu arbeiten. Vielmehr sollte die Förderung spezieller Verhaltens- und Erlebnisdimensionen, die zur Persönlichkeitsförderung und -stärkung beitragen können, im Vordergrund der pädagogisch-/ psychologischen Arbeit mit dem Pferd stehen. Nicht die reine Reproduktion vorgegebener Übungen, sondern die Berücksichtigung dabei entstehender Gefühle und körperlicher Empfindungen steht dabei im Vordergrund. Durch Fragen des Therapeuten während oder im Anschluss an eine Übung können diese Gefühle und Empfindungen bewusst gemacht und reflektiert werden.
Zweck und Grundstruktur:
Die Reittherapie soll durch spielerische Bewegung helfen, den Körper differenzierter zu erfahren und einzusetzen und durch angenehmes Wahrnehmen des eigenen Körpers sowie durch die Erfahrung, erfolgreich zu sein und durch Tier und Mensch angenommen zu werden, einen selbstwertsteigernden Effekt haben. Um ein positives Körpergefühl zu provozieren, können drei Gruppen von Körperübungen unterschieden werden:
Die Polarität von Spannung und Entspannung: Spannung findet sich insbesondere in den statischen Übungen auf dem Pferd, wie sie im Voltigieren Verwendung finden
(z. B. „Fahne“, Knien, Stehen, Seitlieger, Liegestütz,…) Eine Erhöhung der Spannung lässt sich erreichen, wenn dieselben Übungen nicht nur im Schritt, sondern auch im Galopp durchgeführt werden. Entspannung kann erreicht werden durch einfaches „sich tragen lassen“, sich auf den Pferdehals oder -rücken legen auf dem stehenden oder im Schritt gehenden Pferd. Voraussetzung für eine gelungene Entspannung ist hier natürlich die Angstfreiheit, die erst durch die Vertrautheit mit dem Pferd und dessen Reaktionen nach und nach erwächst.
Körpergrenzen und positiven Körperkontakt erfahren: Körpergrenzen werden „hautnah“ erfahren durch das Aufliegen einzelner Körperteile des Reiters am Pferdekörper, den sanften Druck desselben und der Körperwärme des Pferdes. Hier gilt: Je weniger Material (Sattel, Pad, Decke...) sich zwischen Pferd und Mensch befindet, desto besser kann der Körper des Pferdes und der eigene Körper gefühlt und erfahren werden. Das Wiegen auf dem Pferderücken und die Wärme desselben können Verspannungen lösen, sofern dem genügend Raum gegeben und nicht sogleich mit ersten Übungen begonnen wird. Wichtig ist, immer wieder die Aufmerksamkeit des Reiters auf seine Empfindungen beim Spüren des eigenen Körpers zu lenken, um die Erfahrungen zu vertiefen, da die eher zufällige Beschäftigung mit dem eigenen Körper nur einen geringen Erfahrungs- und Erkenntniszuwachs bringt. Es sind daher Konzentrations- und Reflexionsphasen nötig, um Körpererfahrung zu vermitteln.
Differenzieren von Bewegungen: Langsames und bewusstes Führen der Gliedmaßen bei dynamischen Übungen wie Mühle, Einsitzen nach Stehen oder Knien, Schere oder Stützschwung.
Art der Intervention:
Im heilpädagogischen Reiten und Voltigieren geht es um einen weiten Begriff des Reitens, der mit dem Beobachten beginnt, die Pflege und Fütterung ebenso mit einbezieht wie das Sich -Bewegen auf dem Pferd. Die reittherapeutische Maßnahme umfasst daher folgende Handlungen rund um das Pferd:
Führen aus der Box oder von der Weide, Fell- und Hufpflege, Gurt auflegen;In die Halle bzw. Reitbahn führen;Während der Aufwärmphase des Pferdes das Kind ebenfalls aufwärmen, beispielsweise durch Mitlaufen am Pferd, Platzwechsel am Pferd, Versuch, den Laufrhythmus des Pferdes aufzunehmenAuf dem bloßen, mit einer Decke gepolsterten oder gesattelten Rücken des geführten oder an der Longe gehenden Pferdes sitzen, liegen und in den drei Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp (vornehmlich Schritt) vorgeschlagene oder vom Kind selbst erdachte Übungen durchführen; Entspannungsübungen im Schritt;Auf dem in den drei Grundgangarten über eine am Boden liegende Stange gehenden Pferd sitzen;Auf dem Pferd sitzend im `Slalom` oder in kleinen Kreisen um am Boden befindliche Hütchen, durch ein Stangenlabyrinth oder über eine Wippe geführt werden bzw. das Pferd in diesen Situationen selbst führen;Bodenarbeit mit dem Pferd, beispielsweise Gehen, Halten, Rückwärtsrichten üben; − Spiele zur Körperwahrnehmung auf dem Pferd;Spiele zur visuellen, taktilen und akustischen Wahrnehmung mit „Helfern“; mit weiteren Personen an und auf dem Pferd arbeiten;Erlernte Übungen auf dem Pferd anderen Personen vorführen;Aus der Halle führen und versorgen, d.h. Gurt abnehmen, Fell- und Hufpflege, ggf. Decke auflegen, auf die Weide bringen;Beobachten des Pferdes auf der Weide, im Umgang mit anderen Pferden.
Perspektiven
Integration innerhalb der Kooperation mit anderen Einrichtungen nutzt vorhandene Ressourcen und verbindet sie zu einem innovativen, adressatenorientierten Programm. Der innovative Charakter drückt sich dabei weniger in der Schaffung neuer Methoden und Strukturen aus, sondern vielmehr durch eine effektive Verbindung derselben und einer intensiven und ernst zu nehmenden Einbeziehung der Teilnehmer und Erzieher in die Planung und Durchführung der Maßnahme. Potentiale können genutzt und durch neue Angebote oder Methoden (Entscheidungsfreiheit, Freiwilligkeit des Teilnehmers, flexibler Maßnahmeplan, hoher motivationaler Charakter) ergänzt werden. Das „Fallverstehen“ und die vorauszusetzende Reflexionskompetenz der/des Professionellen werden in dem vorliegenden Konzept mit der Notwendigkeit einer effektiven und nicht zuletzt effizienten Gestaltung von Hilfsarrangements sinnvoll verknüpft.